Hauptinhalt

Herausforderungen mit Zukunft

Aus der Vogelperspektive fotografiert sind die unterschiedlichen Bereiche der Polizei Sachsen. Es ist ein Hubschrauber zu sehen, viele unterschiedliche Fahrzeuge wie Streifenwagen bis zu Wasserwerfer, Motorräder und Busse. Daneben die Bediensteten.
30 Jahre Polizei Sachsen – 30 Jahre Verantwortung für die Demokratie – und mit Sicherheit ein starkes Team! Das Foto zeigt unterschiedliche Bereiche der Polizei Sachsen: neben der Hubschrauberstaffel zum Beispiel die Polizeireiterstaffel, den Streifendienst, Bereitschaftspolizistinnen und -polizisten, die Verkehrspolizei mit Motorrädern, Diensthundeführer, Tauchergruppe, Kampfmittelspezialisten, Wasserwerferstaffel, SEK, Orchestermusiker, Sportfördergruppe, Personenschutz, die Prävention mit POLDI … Wer genau hinsieht, findet auch ein Streifenboot der Wasserschutzpolizei.  © Polizei Sachsen

Zukunftsanalysen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung beziehen die Entwicklungen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Technik und Technologie, Umwelt und Recht mit ein. Weltweit führt die Dynamik vermeintlich wie tatsächlich existenzieller Veränderungen zu einer zunehmenden Polarisierung – befeuert durch Verbreitung und Konsum selektiver Informationen bis hin zu Fake News.

So steht die Polizei Sachsen immer häufiger »dazwischen«, wenn individuelle Wahrnehmungsmuster aufeinanderprallen. Denn einige Menschen reagieren auf eine immer vielfältigere Gesellschaft mit Vereinfachung bis hin zur Radikalisierung – nicht nur politisch. Das erfordert Kommunikationsstärke und interkulturelle Kompetenz. Zudem stellt die eskalierende Gewaltbereitschaft von Extremisten die Sicherheitsbehörden vor große Herausforderungen.

Völlig neue Bewältigungsansätze und Rahmenbedingungen für die polizeiliche Arbeit verlangt ebenso der digitale Raum, den auch die organisierte Kriminalität längst für sich nutzt. Weder die örtliche Zuständigkeit – entscheidend für die Anwendung deutscher Polizeigesetze – noch rechtliche Prinzipien wie die Pflicht zur Strafverfolgung können ohne Probleme auf die Polizeiarbeit im Internet übertragen werden.

Ein blaues Säulendiagram zeigt die Kriminalitätsentwicklung im Freistaat von 2011 bis 2020. Eine gelbe Linie beschreibt die Aufklärungsquote. 2018 wurden 278.796 Straftaten gezählt, 2020 insgesamt 272.588. Die Aufklärungsquote lag 2020 bei 58,7 %.
Kriminalitätsentwicklung im Freistaat Sachsen: Während die Zahl der Straftaten in Sachsen seit Jahren sinkt bzw. nahezu konstant bleibt, steigt die Furcht vor Kriminalität besonders bei älteren Menschen.  © Polizeiliche Kriminalstatistik Sachsen 2020

Andererseits dürfte die Kriminalitätsbelastung demografiebedingt abnehmen, da ein Großteil aller Straftaten im Alter von 16 bis 23 Jahren begangen wird. Im Gegenzug nimmt die Relevanz des Kriminalitätsfurcht-Paradoxons zu: Ältere Menschen haben ein größeres Angstempfinden, obwohl sie seltener Opfer sind. Die Erhöhung des Sicherheitsgefühls wird also für die sächsische Polizei weiter an Bedeutung gewinnen.

»Dunkelfeldstudien beschäftigen sich mit dem Sicherheitsgefühl und der wahrgenommenen Kriminalitätsbelastung in der Bevölkerung. In Sachsen wurde 2010 und 2014 nach der Wahrnehmung der Kriminalität in der Bevölkerung gefragt. Im Ergebnis wurde die Sicherheitslage 2014 schlechter eingestuft, als vier Jahre zuvor. So fühlten in der nur dünn besiedelten, dörflich geprägten Region Ostsachsens 47 % der Bewohner sich nach Einbruch der Dunkelheit ›sehr bzw. ziemlich unsicher‹. Am Tage traf dies noch auf 1/5 der Bewohner zu, wobei interessanterweise auf Fragen nach der Betroffenheit durch kriminelle Handlungen fast keiner der Einwohner eine eigene Opferwerdung berichten konnte.«

Karlhans Liebl: Kriminalitätsfurcht und Sicherheitsgefühl – Ein Ost-West-Vergleich. In: Eberhard Kühne (Hg.): Die Zukunft der Polizeiarbeit – die Polizeiarbeit der Zukunft, Rothenburg/Oberlausitz 2019

Computertechnik wird untersucht – zu sehen ist eine Leiterplatte.
Der Kampf gegen Cyberkriminalität ist eines der prägenden Handlungsfelder für die Strategie der sächsischen Polizei.  © Polizei Sachsen

Vom Drogenhandel über Kindesmissbrauch bis hin zu Wirtschaftsdelikten oder Volksverhetzung – es sind wenige Straftaten denkbar, die nicht auch im oder über das Internet begangen werden können. Cybercrime boomt, egal ob im engeren Sinne als computerbasierter Angriff z. B. auf Datennetzwerke oder im weiteren Sinne mittels Internet als Tatmittel, wie bei Verleumdungen über soziale Medien. Die Polizei steht hier bei der Strafverfolgung (noch) vor hohen rechtlichen wie organisatorischen Hürden. So wurde einer, wenn nicht der spektakulärste Cybercrime-Fall der letzten Jahre »Shiny Flakes« noch mit Hilfe »analoger« Polizeiarbeit aufgeklärt.

Doch gibt es natürlich zukunftsweisende sächsische Ansätze für die Polizeiarbeit im digitalen Raum: Da wären die »Denkfabrik« InnoLab oder Forschungs- und Entwicklungskooperationen, z. B. zwischen dem LKA Sachsen und dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI Dresden. Auch mit der Hochschule Mittweida bestehen Synergien bei der Bekämpfung der Cyberkriminalität sowie in Forschung und Lehre von IT-Spezialisten. IT-Forensik und Gefahrenabwehr im Internet sind Aufgaben des Cybercrime Competence Center (SN4C). Seine Spezialkräfte bündeln Ressourcen im Bereich Computerkriminalität, unterstützen die Polizeidirektionen bei Großverfahren und organisieren die Fortbildung im Bereich IT-kriminalistische Kompetenz.

 
Zu sehen ist ein Screenshot der früheren Website des Internet-Drogendealers »Shiny-Flakes«. Statt Drogen ist nun der Hinweis zur Personalmarketingkampagne »Verdächtig gute Jobs« der Polizei Sachsen mit einem Werbemotiv zu sehen.
Die Website »Shiny Flakes« übernimmt kurzzeitig die Polizei – mit Hinweis auf alternative Berufsperspektiven. (2015)  © Polizei Sachsen

... ist die wahre Geschichte hinter dem Netflix-Serien-Hit »How to Sell Drugs Online (Fast)«.

Die Geschichte eines Leipziger Teenagers, der fast eine Tonne Drogen im Netz verkaufte: Sein Online-Shop »Shiny Flakes« wird 2015 sichergestellt, der inzwischen 20-jährige Maximilian S. festgenommen. Die Ermittlungen haben über ein Jahr gedauert. 320 Kilogramm verschiedener Drogen im Marktwert von mehr als vier Millionen Euro werden konfisziert – einer der größten Drogenfunde in ganz Deutschland.

S. wird vom Landgericht Leipzig wegen Betäubungsmittelhandels zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren Haft verurteilt. Vor zwei Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen, wird gegenwärtig erneut gegen Maximilian S. ermittelt.

 
In dem Innenraum eines Autos unter der Verkleidung des Fahrersitzes liegen mehrere grüne und schwarze Handgranaten. Zu sehen ist außerdem ein Teil der Verkabelung des Wagens.
Allein in dieser Mulde unter dem Fahrersitz waren 65 Handgranaten in loser Schüttung versteckt. (2019)  © Polizei Sachsen

Am 18. Februar 2019 stießen Bundespolizisten am Dresdner Hauptbahnhof bei der Kontrolle eines Fahrzeugs mit bosnischem Kennzeichen auf verdächtige Pakete. Die daraufhin alarmierte Bereitschaftsgruppe des Fachdienstes Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) des Landeskriminalamtes konnte den Anfangsverdacht bestätigen, dass es sich um scharfe Handgranaten handelt. Bei der anschließenden Teildemontage des Fahrzeuges im Landeskriminalamt und der Durchleuchtung in einer Röntgenanlage des Zolls wurden zahlreiche weitere Handgranaten sowie vier Sturmgewehre »Kalaschnikow« und acht Handfeuerwaffen mit der entsprechenden Munition sichergestellt. Als Empfänger der Waffen vermuteten die Ermittler Kreise der organisierten Kriminalität in den Niederlanden oder Belgien.

Eine Röntgenaufnahme eines Autos in Grün- und Orange-Tönen zeigt, wo in Hohlräumen des Wagens Granaten versteckt wurden. Einige dieser Granaten sind mit einem roten Kreis gekennzeichnet.
Aus Röntgenaufnahmen ergaben sich Hinweise auf weitere in Fahrzeughohlräumen versteckte Handgranaten. Insgesamt wurden neben diversen Handfeuerwaffen 96 Handgranaten gefunden, davon 95 in funktionsfähigem Zustand. (2019)  © Polizei Sachsen
 

Polizei & Pandemie

Wie hat die Corona-Pandemie den Polizeidienst verändert? Wie haben die Beschäftigten ihren Dienst während des Lockdowns erlebt? Welche persönlichen Einstellungen prägen ihren Blick auf die Pandemiebekämpfung? Und was lässt sich aus all dem für den Umgang der Polizei mit zukünftigen Krisen lernen? Zu diesen Fragen führte das Sächsische Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS)* von Mitte Oktober bis Mitte November 2020 eine Umfrage in der sächsischen Polizei durch. Analysen der über 2.300 ausgefüllten Fragebögen förderten u. a. folgende Befunde zutage:

»Innerhalb der Belegschaft der sächsischen Polizei wurde die Angemessenheit der Corona-Maßnahmen sehr unterschiedlich bewertet. Für 32 Prozent der Beschäftigten waren die Maßnahmen genau richtig; 25 Prozent von ihnen gingen sie nicht weit genug. Mit 32 Prozent fanden im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung im Befragungszeitraum jedoch deutlich mehr Bedienstete der sächsischen Polizei, die Maßnahmen gingen zu weit.«

»Ungeachtet dieser Heterogenität verbindet die Belegschaft ein ausgeprägtes polizeiliches Berufsethos. Nur eine Minderheit von 15 Prozent befand sich zum Befragungszeitpunkt in innerer Opposition zur beruflichen Aufgabe, die Einhaltung der Maßnahmen in der Gesellschaft durchzusetzen. Einer großen Mehrheit von knapp 80 Prozent war es zudem wichtig, die geltenden Corona-Regeln auch selbst einzuhalten.«

»Es gibt Bedarf an ... flexiblen Arbeitsmodellen. Knapp ein Drittel der Belegschaft machte davon während der Lockdowns im Frühjahr 2020 Gebrauch. ... Wenngleich solche flexiblen Arbeitsmodelle in einem Spannungsverhältnis zur Erfüllung vieler polizeilicher Aufgaben stehen, wünschte sich über die Hälfte der Belegschaft, solche Möglichkeiten auch in Zukunft nutzen zu können.«

Christoph Meißelbach, Reinhold Melcher, Marcel Schöne, Tom Thieme: Polizeidienst in Krisenzeiten. Beschäftigtenbefragung zur Corona-Pandemie in der Polizei Sachsen, 2021 (Sächsisches Institut für Polizei und Sicherheitsforschung und Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) (HG): Rothenburger Beiträge zur Polizei- und Sicherheitsforschung – Band 107)

»Die Befunde zeigen, dass die Polizei eine weltanschaulich vielfältige Organisation ist. In dieser Vielfalt liegt sicherlich eine Herausforderung. Aber sie ist in einer Demokratie nicht nur legitim, sondern kann eine wichtige Stärke sein.«

Christoph Meißelbach, wissenschaftlicher Koordinator am SIPS und einer der Autoren der Studie

* Das Sächsische Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) entsteht 2019 als interdisziplinäres Forschungsinstitut an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH). Es bündelt Kompetenzen der anwendungsorientierten Forschung mit Polizeibezug und fungiert als Dach für Forschungsprojekte an der Hochschule. Zudem führt das Team des SIPS selbst Studien mit sozialwissenschaftlichem Fokus durch und gibt die Schriftenreihe zur Polizei- und Sicherheitsforschung heraus.

Zum nächsten Thema

Polizei mit Zukunft

Computertechnik wird untersucht – zu sehen ist eine Leiterplatte.

Von der Dynamik des gesellschaftlichen Wandels bleibt die Polizei nicht unberührt – sowohl hinsichtlich ihrer Strategien als auch ihrer Organisation. Wie also macht sich die Polizei Sachsen »fit für die Zukunft«?

zurück zum Seitenanfang