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Fall aufgeklärt – dank Wissenschaft

Auf dem Bild zu sehen ist ein daktyloskopischer Gutachterarbeitsplatz (Vergleichsarbeitsplatz). Er ist ausgestattet mit einer Kamera, die auf einen Tisch mit einem Messer gerichtet ist. Ein Monitor daneben zeigt einen Fingerabdruck.
Das System EVISCAN kommt im Fachbereich 62 Daktyloskopie/Erkennungsdienst zum Einsatz.  © Polizei Sachsen

Seit die Polizei existiert, liefert sie sich einen Wettlauf mit dem Verbrechen.

Entwickelt die Polizei neue Aufklärungsmethoden, ändert die Gegenseite ihre Strategie. Sucht das Verbrechen neue Räume, muss die Polizei folgen – Stichwort Cybercrime.

Ein Ergebnis ist die Verwissenschaftlichung und Professionalisierung des Polizeiberufes. Sie beginnt im 19. Jahrhundert mit ersten kriminaltechnischen Verfahren zur Sicherung und Auswertung von Tatortspuren wie Fingerabdrücken (Daktyloskopie) und reicht bis zur modernen DNA-Analyse. Rekrutierte sich die Polizei einst aus Armeeangehörigen, besteht sie heute teils aus hoch spezialisierten Fachleuten – vom Biochemiker (Kriminaltechnik) über den Informatiker (Cybercrime) bis zum Psychologen (Profiling). Nicht zu vergessen: die Professionalisierung der Polizeiausbildung von den Grundlagen bis hin zum Hochschulstudium.

 

Gute Tatortarbeit = Objektive Beweisführung

Ein daktyloskopischer Gutachterarbeitsplatz in einem sehr hellen Raum ist ausgestattet mit einer Kameraeinheit und einem Computer. Auf dem Computermonitor sind zwei Fingerabdrücke vergrößert zu sehen. Auf dem Tisch liegt ein Blatt mit Spuren und Lupe.
Daktyloskopischer Gutachterarbeitsplatz (Vergleichsarbeitsplatz) mit Kameraeinheit.  © Polizei Sachsen

Spuren suchen, sichtbar machen und sichern – dafür stehen den Mitarbeitern der Kommissariate Kriminaltechnik der Polizeidirektionen und der Tatortgruppe des LKA spezielle Techniken und Methoden zur Verfügung.

Diese reichen bei der Suche nach daktyloskopischen Spuren (Finger- und Handabdrücke) vom klassischen Fehhaarpinsel bis zur Hightech-Bedampfung ganzer Räume. Zum Aufspüren latenter Blutspurenbilder oder anderer Rückstände von Körperflüssigkeiten kommen modernste IR- und UV-Beleuchtungstechnik oder das Einsprühen mit Luminol zum Einsatz. 

Analytische Untersuchungsmethoden erfordern ein Höchstmaß an Kompetenz der eingesetzten Mitarbeiter, um die gesicherten Spuren vor Verunreinigungen zu schützen und den Informationsgehalt der »stummen Zeugen« optimal auszuschöpfen.

Ein Mitarbeiter der Spurensicherung mit Schutzanzug und Maske hält einen Handscanner. Im Hintergrund liegt eine Pistole, die auf einem Display des Geräts zu sehen ist. Daneben steht ein Spurensicherungsschild mit der Nummer 61.
3D-Erfassung einer am Tatort aufgefundenen Waffe mithilfe eines Handscanners.  © Polizei Sachsen

Große Bedeutung kommt auch der lückenlosen Dokumentation von Tat- und Ereignisorten zu. Die Tatortgruppe arbeitet dabei mit 360°-Panoramakameras, Streifenlichtscannern und terrestrischen Laserscannern zur dreidimensionalen Dokumentation. Im Ergebnis können dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten dreidimensionale Datensätze zur Verfügung gestellt werden, die ein virtuelles Begehen der Tatorte ermöglichen. Schuss- und andere Tatrekonstruktionen sowie Plausibilitätsprüfungen von behaupteten oder tatsächlichen Handlungsabläufen lassen sich so im virtuellen Raum abbilden.

 

Mit Kriminaltechnik und -wissenschaft: Bombe entschärft, Täter ermittelt, Tötungsabsicht erwiesen

Am 6. Juni 2003, 19:20 Uhr, wird die Bundesgrenzschutzinspektion Dresden informiert, dass sich auf dem Bahnsteig 14 im Hauptbahnhof Dresden herrenlose Gepäckstücke befinden. 19:40 Uhr wird der Einsatz von Entschärfern des Bundesgrenzschutzes veranlasst. Gegen 20:40 Uhr wird der Fundort abgesperrt, der gesamte Bahnhof evakuiert und der Zugverkehr eingestellt. Gegen 21:40 Uhr erfolgt die Überprüfung eines Koffers. Nach dem Röntgen können durch die Entschärfer zweifelsfrei elementare Teile einer USBV (Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung) erkannt werden. Durch den Einsatz von Entschärfertechnik wird die USBV unschädlich gemacht. 23:55 Uhr trifft die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen ein, um die kriminaltechnischen Untersuchungen am Tatort vorzunehmen. Das LKA richtet am 10. Juni 2003 die Soko Bahnhof ein.

Dargestellt ist der Nachbau einer Kofferbombe. Dieser besteht unter anderem aus mehreren Kabeln, einem orangenen Kochtopf und einem Plastiksack, der mit Steinen gefüllt ist. Neben dem Nachbau liegt ein Lineal.
Mit diesem Nachbau der Kofferbombe vom Dresdner Hauptbahnhof konnten die Ermittler die Funktionsfähigkeit des Zünders nachweisen – und damit dem Täter die von ihm geleugnete Tötungsabsicht. (2003)  © Polizei Sachsen

Nach Erkenntnissen der Untersuchung des Kriminalwissenschaftlichen und -technischen Institutes des LKA handelte es sich um eine voll funktionsfähige Kofferbombe. Die Sprengvorrichtung kann rekonstruiert und experimentell ihre Wirkungsweise sowie mögliche Auswirkungen festgestellt werden. Damit ist eine Tötungsabsicht nachgewiesen. Am Tattag war der Reiseverkehr wegen des bevorstehenden Pfingstfestes besonders hoch. Der Koffer befand sich ca. sechs Stunden auf dem Bahnsteig.

Einer der Schwerpunkte zur Ermittlung des Täters liegt auf der Herkunft der Einzelkomponenten der Bombe: u. a. Schnellkochtopf, Sprengschnur, Zünder, Sprengstoffbrocken, Konservengläser mit brennbarer Flüssigkeit, Schottersteine … Bis hin zum verwendeten Klebeband reicht die akribische Spurenverfolgung. Im Ergebnis können regionale Bezüge festgestellt werden – insbesondere das Vorkommen, der Abbau oder der Vertrieb der Gesteine Serpentinit, Quarzit sowie Phyllit.

Beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden erfolgt eine Recherche in der Falldatei Sonderkennung P (Waffen- und Sprengstoffkriminalität). Sie führt zu 102 Tatverdächtigen. Schließlich kann eine Person festgestellt werden, deren Wohnort sich im 30-Kilometer-Umkreis des Quarzitvertriebs sowie im Bereich des Vorkommens an Phyllit und der Verkaufsregion von Serpentinit befindet.

Eine Zeugenaussage bestätigt zudem den unmittelbareren Zusammenhang mit einem weiteren Ermittlungsverfahren: einer Erpressung der Deutschen Bank.

Video: Zündung der nachgebauten Kofferbombe

 

Dank DNA-Analyse: Verbrechen geklärt

Ermittler Enrico Petzold steht in einem grauen Hemd vor einem Regal voller Aktenordner. Das Bild von Heike Wunderlich ist rechts neben ihm eingeblendet. Die Frau hat dunkle, kurze, lockige Haare und einen hellen Pullover an.
Enrico Petzold vor den Ermittlungsakten zum Mordfall Heike Wunderlich, den er dank verbesserter Methoden zur DNA-Bestimmung 29 Jahre nach der Tat aufklären konnte. (2021)  © Polizei Sachsen

Cold Case: In der Nacht vom 9. zum 10. April 1987 wird die 18-jährige Heike Wunderlich aus Altensalz bei Plauen vergewaltigt und ermordet, jahrzehntelang bleiben Aufklärungsversuche erfolglos.

Als 2015 ein neues Untersuchungsverfahren ermöglicht, auch aus kleinsten Partikeln die DNA zu bestimmen, schickt Ermittler Enrico Petzold das komplette Spurenmaterial zum nunmehr vierten Mal an das Kriminalwissenschaftliche und -technische Institut im Landeskriminalamt (LKA) Sachsen. Tatsächlich finden sich diesmal in einem Knoten des BH, mit welchem Heike Wunderlich erdrosselt wurde, winzige Hautschuppen. Die daraus extrahierte DNA stimmt mit einem Eintrag in der Datenbank des LKA überein und überführt den Täter nach 29 Jahren.

Auf einem Fahndungsplakat in grün-weißer Optik werden Hinweise zum Täter eines Kindesmissbrauchs in Dresden gesucht und eine Belohnung ausgeschrieben. Gezeigt werden dazu ein Wagen und ein grauer Pullover mit einem Logo, vermutlich »Kenvod«.
Fahndungsplakat der Soko Heller.  © Polizei Sachsen

Im September 2005 und im Januar 2006 werden in Dresden-Hellerau und in Coswig bei Meißen zwei neun und elf Jahre alte Mädchen sexuell missbraucht.

Die sichergestellten DNA-Spuren stammen vom selben Täter. In Verbindung mit anderen Ermittlungsmethoden und einer breit angelegten Öffentlichkeitsfahndung geben im Rahmen der bislang größten DNA-Reihenuntersuchung der BRD 14.222 Männer Speichelproben ab. Am 17. Juni 2008 erhält Ermittler Raiko Märtins einen Zettel mit der Barcodenummer einer Probe, die eine höchste Übereinstimmung mit der Täter-DNA aufweist.

In einem braunen Bilderrahmen befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: »10010571«.
Der Zettel mit dem notierten Barcode der DNA-Probe des Täters symbolisiert den entscheidenden Durchbruch in den Ermittlungen der Soko Heller. Gerahmt erhielt er später einen Ehrenplatz im Büro von Raiko Märtins. (17. Juni 2008)  © Polizei Sachsen

Erster Kriminalhauptkommissar Raiko Märtins, zunächst stellvertretender Leiter, später Leiter der Soko Heller: »Ich begriff nach und nach die Mitteilung, ermittelte anhand der Barcodenummer die Klarpersonalien des Probanden und hatte endlich den Namen des mit gigantischem Aufwand seit über 30 Monaten gesuchten Täters vor mir. Eine Sternstunde im Leben eines Kriminalisten, in meinem und in dem aller Mitarbeiter der Soko.«

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Straftat verhindert mit Technik und Technologie

In einer Fotocollage ist links eine graue Kamerasäule auf der Altstadtbrücke in Görlitz zu sehen. Rechts daneben auf einem Schwarz-Weiß-Bild ist ein Mann mit Jacke. Er steckt den Mittelfinger in die Höhe. Sein Gesicht ist unkenntlich gemacht worden.
© Polizei Sachsen

Im ewigen Spannungsfeld der Polizeiarbeit zwischen Prävention und Aufklärung helfen nicht nur Wissen(schaft) und Erfahrung. Entscheidend sind häufig innovative Technik und Technologie, nicht zuletzt, um Verbrechen vorzubeugen. Eine – ursprünglich sächsische – Erfolgsgeschichte ist KUNO. Derweil erfordern Videoüberwachungssysteme und automatisierte Erkennungssysteme Fingerspitzengefühl.

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